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Quelle:

Niedersächsisches Finanzgericht
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 16.12.2021
Aktenzeichen: 11 K 14196/20

Schlagzeile:

Ausländische Betriebsstätten einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft keine Arbeitgeber im Sinne des OECD-Musterabkommens

Schlagworte:

Arbeitgeber, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Arbeitslohn, Betriebsstätte, Gleichbehandlungsgrundsatz, Internationales Steuerrecht, Kapitalgesellschaft, Lohnsteuer, Niederlassungsfreiheit, OECD-Musterabkommen

Wichtig für:

Steuerberater

Kurzkommentar:

1. Die ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen rechtlich selbständigen Person ist als solche nicht als Arbeitgeber i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) OECD-MA anzusehen.

2. Der von der Rechtsprechung entwickelte sog. wirtschaftliche Arbeitgeber-Begriff stellt auf eine „rechtlich selbständige Person“ ab.

Art 45 AEUV, Art 49 AEUV, Art 54 AEUV, § 38 EStG, § 49 Abs 1 Nr 4 EStG, Art 3 GG, Art 15 OECD-MA, Art 5
OECD-MA

Hintergrund: Mit Urteilen vom 16.12.2021 (11 K 14196/20, 11 K 14197/20 und 11 K 14198/20) hat der 11. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zu der Frage Stellung genommen, ob ausländische Betriebsstätten einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft als Arbeitgeber i.S. des Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) OECD-Musterabkommens (OECD-MA) anzusehen sind.

Die in Deutschland ansässige Klägerin wird in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben und ist über Zweigniederlassungen weltweit tätig. Die in den Auslandsniederlassungen tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten ihren Wohnsitz jeweils im Beschäftigungsstaat. In unregelmäßigen zeitlichen Abständen kamen sie für kurzfristige Dienstreisen z. B. zu Schulungen oder Projektarbeiten zum Stammhaus nach Deutschland. Diese Inlandsdienstreisen nahmen sie im Interesse der jeweiligen Auslandszweigniederlassung vor, die neben der kompletten Tätigkeitsvergütung auch die anfallenden Reisekosten trug. Die gesamten mit der Tätigkeit dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbundenen Kosten erfasste die jeweilige Auslandsniederlassung in ihrer Buchführung. Das deutsche Stammhaus erstattete diese Kosten weder ganz noch teilweise. Das beklagte Finanzamt nahm bei der Klägerin als inländischer Arbeitgeberin gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einen Lohnsteuerabzug von dem auf die Inlandsdienstreisen entfallenden Arbeitslohn der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihrer ausländischen Betriebsstätten vor.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Überzeugung des 11. Senats steht das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der auf die Inlandstage der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entfällt, dem Tätigkeitsstaat Deutschland zu. Zur Überzeugung des Finanzgerichts ist die Klägerin - und nicht die jeweilige Zweigniederlassung (Betriebsstätte) - als Arbeitgeberin i.S. des Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) OECD-MA anzusehen.

Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 Buchst. c) unterscheide ausdrücklich zwischen den Begriffen Betriebsstätte und Arbeitgeber. Der Regelungsbereich des Buchst. c) wäre ausgehöhlt, wenn die Betriebsstätte unter den Arbeitgeber-Begriff des Buchst. b) zu fassen wäre. Überdies verknüpfe der Wortlaut des Buchst. b) den Arbeitgeber-Begriff und die Ansässigkeit miteinander. Daraus folge, dass ein Arbeitgeber ansässig sein könne.

Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 29.01.1986, I R 109/85, bereits zutreffend ausgeführt habe, könne eine Betriebsstätte nicht in einem Vertragsstaat ansässig sein. Zudem handele es sich im Streitfall um unselbständige Zweigniederlassungen, die zivilrechtlich nicht rechtsfähig seien. Auch vor diesem Hintergrund könnten sie zivilrechtlich nicht Vertragspartner und damit Arbeitgeber sein. Der von der Rechtsprechung entwickelte wirtschaftliche Arbeitgeber-Begriff stelle auf eine „rechtlich selbständige Person" ab. Nach Art. 5 OECD-MA bleibe die Betriebsstätte als solche aber unselbständig und werde allein zum Zwecke der Gewinnzuordnung nach Art. 7 OECD-MA fiktiv verselbständigt. Darüber hinaus konnte der erkennende Senat im Streitfall keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, die Niederlassungsfreiheit sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit feststellen.

Der Senat hat die Revision zugelassen.

Das Urteil des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Beim Bundesfinanzhof (BFH) ist die Revision anhängig.

In der offiziellen Datenbank des BFH sind die folgenden Informationen zu finden:

BFH Anhängiges Verfahren I R 8/22
Aufnahme in die Datenbank am 20.07.2022
AEUV Art 45 ; AEUV Art 49 ; AEUV Art 54 ; EStG § 38 ; EStG § 49 Abs 1 Nr 4 ; GG Art 3 ; OECDMustAbk Art 15 ; OECDMustAbk Art 5
Sind ausländische Betriebsstätten einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft keine Arbeitgeber i.S. des Art. 15 Abs. 2 Buchst. B OECD-MustAbk und ist somit von der inländischen Kapitalgesellschaft als Arbeitgeberin gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Lohnsteuerabzug vom auf Inlandsdienstreisen entfallenden Arbeitslohn der Arbeitnehmer ihrer ausländischen Betriebsstätten vorzunehmen?
--Zulassung durch FG--
Rechtsmittelführer: Steuerpflichtiger
Vorgehend: Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 16.12.2021 (11 K 14196/20)

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