Quelle: |
Oberlandesgericht Koblenz |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 17.07.2002 |
Aktenzeichen: | 1 U 1588/01 |
Schlagzeile: |
Sachbearbeiter im Finanzamt müssen aktuelle Steuer-Urteile kennen
Schlagworte: |
Amtshaftung, Einspruch, Fahrlässigkeit, Organisationsverschulden
Wichtig für: |
Alle Steuerzahler
Kurzkommentar: |
Sachbearbeiter im Finanzamt müssen zeitnah über die grundlegenden Urteile des Bundesfinanzhofs informiert werden. Das gilt insbesondere für solche Entscheidungen des obersten deutschen Steuergerichts, die der bisherigen Verwaltungspraxis widersprechen.
Werden die Sachbearbeiter nicht oder nicht rechtzeitig informiert, liegt ein Organisationsverschulden vor. Steuerpflichtige können in einem solchen Fall den Ersatz der (Steuerberatungs-)Kosten nach Amtshaftungsgrundsätzen für ein – eigentlich unnötiges – Einspruchsverfahren verlangen.
Das Gericht gab mit seinem Urteil der Klage eines Steuerzahlers statt, der die Erstattung der ihm entstandenen Kosten für den Steuerberater gefordert hatte. Mit Hilfe des Beraters hatte er Einspruch gegen einen Steuerbescheid eingelegt, nachdem das Finanzamt den Verkauf von Grundstücken fälschlicherweise als gewerblichen Grundstückshandel beurteilt hatte. Dieser Auslegung hatte der Steuerzahler unter Hinweis auf ein entsprechendes BFH-Urteil widersprochen.
Finanzbeamte müssen nach dem OLG-Urteil zeitnah über die BFH-Rechtsprechung informiert sein. Mangelhafter Informationsfluss innerhalb der Finanzämter kommt den Fiskus also teuer zu stehen. Eine fahrlässige Amtspflichtverletzung liegt selbst dann vor, wenn der zuständige Sachbearbeiter wegen der fehlenden Kenntnis eines BFH-Urteils nach bestem Wissen gehandelt hat. Das Verschulden werde nämlich nicht auf eine einzelne zu konkretisierende Person bezogen, sondern dem mangelnden oder schlechten Funktionieren des Verwaltungsapparates selbst zugerechnet. Ein besonders strenger Maßstab gilt dabei für Behörden, die wie die Finanzämter, durch den Erlass von Bescheiden selbst vollstreckbare Titel schaffen.
Hinweis: Auch von einem Steuerberater wird nach der Rechtsprechung erwartet, dass er spätestens innerhalb von vier bis sechs Wochen eine BFH-Entscheidung kennt. Berät ein Steuerberater seinen Mandanten in Unkenntnis einer höchstrichterlichen Entscheidung falsch, haftet er für den Schaden.